Wie ich einmal einem Kometen hinterhergefahren bin

Als sich am Start des „Kometen von Hürth“ in Gleuel etwa 50 Jedermänner einfanden, stellte Andreas fachmännisch fest, dass eine Wolke von Sixtus-Gesäßcreme über dem Fahrerfeld lag. Dass die Teilnehmer des Rennens aber keineswegs vorhatten, besonders lange im Sattel zu sitzen, wurde mir kurz darauf schmerzhaft in meinen Beinen und Lungen bewusst. Meine Ambitionen verflüchtigten sich alsbald ebenso schnell wie der süßliche Geruch, der mich immer an Mückenschutzmittel erinnert. Auch die Spitze des Rennens machte schleunigst die Mücke. Als Ziel hatte ich mir vorgenommen, trotz kurzer Nacht wegen der Hochzeit eines Scuderia-Kollegen, mit dem Hauptfeld im Ziel anzukommen. Doch dieser Traum zerschellte bereits in der zweiten Runde an der Mauer von Gleuel, einem Anstieg von 15 Höhenmetern, der in einer 1,2-km-Runde 22 mal gefahren werden sollte und bereits in Runde zwei dafür gesorgt hatte, dass es das Hauptfeld mit dem ich ins Ziel kommen wollte nicht mehr gab. Auch nicht ganz unschuldig: Die schnellen Jungs, die das Rennen unter sich ausmachten und bereits zu Beginn mit einem irren Tempo für eine frühe Selektion sorgen wollten, was ihnen auch gelang. Respekt für diese schnellen Beine!

Für mich hieß es also von da an: Überleben. Die Situation hat mich zugegeben etwas überrascht. Dass es so schnell auseinanderreißt hatte ich nicht erwartet. Andreas und der Lutscher waren mir irgendwo weiter vorne abhanden gekommen, Karsten und zwei triathletische Begleiter, mit denen er zu uns gestoßen war, vermutete ich irgendwo in der Versprengung hinter mir. Also war ich mit dickem Kopf und dicken Beinen auf mich allein gestellt. Fühlte es sich in den ersten Runden noch so an, als könnte man besagten Hügel mal eben schnell hochbügeln, hatte ich spätestens ab Runde vier das Gefühl, in dieser „Schippe Sand“ stecken zu bleiben und bald den Kopf in ihren Sand zu stecken. Kurz darauf folgte die völlige Demotivation, als mich die Spitzengruppe überrundete und ich spielte erstmals ernsthaft mit dem Gedanken, das Rennen frühzeitig zu beenden. In der folgenden Zeit fand ich jedoch eine Gruppe mit Leuten, die in etwa mein Tempo fuhren, wobei ich in der Kurven meist ein paar Meter verlor um dann am Hügel mit großem Geschrei wieder etwas Boden gut zu machen. Mittlerweile war ich einige Zeit über dem Limit unterwegs und hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie viele Runden ich schon gefahren war, geschweige denn noch fahren musste. Deshalb und weil meine Denkfähigkeit sich mit jedem gefahrenen Meter weiter halbierte, setzte ich mir ein neues, unter den gegebenen Umständen waghalsigeres Ziel: Ich würde dieses Rennen beenden, irgendwie!

Tatsächlich hatte ich auch ein Tempo gefunden, das ich meinte, bis zum Schluss weiter fahren zu können. Ich hatte mich auch damit abgefunden, dass mein Pulsmesser permanent bedrohliche Werte anzeigte. Ich war auch sehr glücklich darüber, dass sich Andreas in meine Gruppe hatte zurückfallen lassen und wir uns zwischen unserer Schnappatmung gegenseitig ein paar aufmunternde Worte zuhusten konnten. Und Schwups, sprang mir in der kurzen Abfahrt die Kette vom Blatt. Der Ärger darüber machte aber sehr schnell der Freude über die unverhoffte Erholungspause Platz. Außerdem erhielt ich, während ich am Straßenrand das schmierige Ding von Hand wieder auflegte, die Möglichkeit, mir einen Überblick über das Rennen zu verschaffen und zu begreifen, dass ich folgerichtig ein weiteres Mal von der Spitze überrundet wurde. Klare Erkenntnis: PaOle, dieses Rennen hast du hoffnungslos vergeigt, du müsstest sofort vom Rad steigen, um weiteren Demütigungen zu entgehen. Tatsächlich fuhr ich, einem inneren Widerstreben folgend, weiter, ließ mich von meiner vorherigen Gruppe wieder einholen (also auch überrunden), wuchtete mich die letzten Male diese schreckliche, steile, unendliche Mosterrampe von Berg hinauf und fieberte dem Moment entegegen, in dem die Spitzenreiter endlich das Ziel erreichen und das Rennen auch für mich beendet würde.

Die Rennleitung zeigte auch Verständnis für mein Leiden und hatte zwischenzeitlich das Rennen um zwei Runden gekürzt. Das Jedermannrennen des Kometen von Hürth wurde schließlich von dem Ex-Profi und U23-Nationaltrainer Ralf Grabsch gewonnen, der im ausrichtenden Verein RC Schmitter aktiv ist. Zweiter wurde mit Daniel Knyss ein Altersklassensieger des German Cycling Cup. Dass ich von diesen beiden mit abgesprungener Kette nur dreimal überrundet wurde kann ich ebenso als Erfolg verbuchen, wie die Tatsache, dass ich das Rennen überhaupt zu Ende gefahren bin.

Der Lutscher hat sich trotz pechbringender Startnummer (s. Foto) an den Hinterrädern einer der Verfolgergruppen festgesetzt (s. Foto zu Beginn) und es auf einen beachtlichen 20 Platz gebracht. Trotzdem berichtete er mir später, er hätte sich nicht ausgelastet gefühlt und anschließend noch ein Workout in der Muckibude nachgelegt. Unglaublich; wenn er weiter so macht, zerlegt er nächstes Jahr die gesponsorten Jedermannteams und Ex-Profis im Alleingang! Und ich trainiere Kurven fahren um mich nicht selbst zu zerlegen…

Zu guter letzt sollte noch erwähnt werden, dass den Veranstaltern hier ein wunderbarer Renntag gelungen ist. Ein Jedermannrennen anzubieten ist bei solchen Vereinsrenntagen wie diesem (wo hautpsächlich Jugend- und Lizenzrennen stattfinden) eben leider nicht selbstverständlich. So haben wir aber die Möglichkeit, auch mal Rennen am eigenen Leib (und diesmal) Leid zu erleben, was kombiniert mit gemeinsamer An- und Abfahrt, lecker Kuchen und dem Zuschauen der anderen Rennen zu einem rundum genießbaren Sonntag führt.

Nachtrag: Weitere Berichte vom Rennen findet man auch auf Challenge-Magazin.com und auf den Seiten des Team-Strassacker (dort geschrieben vom Drittplatzierten Holger Koopmann).

Außerdem vergaß ich zu erwähnen, dass das Publikum wirklich genial war und sogar die abgehängten Fahrer weiter frenetisch angefeuert wurden. Ich hatte zwar meist Probleme, das Hinterrad des von mir für einige Runden ausgesuchten Begleiters zu halten, aber da er offensichtlich einen Fanclub dabei hatte, der ihn jede Runde ordentlich antrieb, überredete ich mich selbst, da noch weiter dran zu bleiben, um auch weiterhin diesen Jubel zu erschnorren.

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