Radsport = Bonzensport ?

Kürzlich habe ich mir das Schaltwerk ins Hinterrad gehängt. Kostenpunkt der Kombination aus schlechter Einstellung, Krafteinwirkung eines Sprints auf eine denkbar ungünstige Kettenlinie (vorne: rechts; hinten: ganz links) und einem vielleicht nicht ganz verwindungssteifen Rahmen: ca. 100€ für ein neues Centaur-Schaltwerk plus Kette (vorausgesetzt, die Mavic Open Pro ist noch in Ordnung).

Die Erkenntnis, dass es mir auf dem Rennrad möglich ist innerhalb eines Sekundenbruchteils den Gegenwert von 50kg Reis für Pakistan zu verbrennen lässt wohl die Lehman Brothers vor Neid erblassen. Mich führt es jedoch zu der Frage, warum ich mir nur ein so teures Hobby gesucht habe. Kann ich meinen anfälligen Hobel weiter mit Studentenjobs finanzieren oder bleiben die zweirädrigen Boliden eigentlich der Upper Class vorbehalten wie das 3‘er Eisen und kurzgeschorener Fairway? Sowohl wirtschaftlich als auch emotional fühle ich mich beispielsweise mit dem Snob-Sport Nummer 1, Golf, überhaupt nicht verbunden. Kann ein finanzieller Vergleich meiner Leib- und Magensportart Radsport dem aber standhalten? Bei Ebay gibt es bereits für ca. 200€ eine komplette Golfausrüstung, inklusive Tasche und Schlägerschoner. Beim derzeitigen Fixie- und Singlespeed-Hype krieg ich für das Geld bei Ebay gerade mal einen brauchbaren Stahlrahmen von anno dazumal. Wenn die Jahresgebühr für einen günstigen Golfclub bei 100€ liegt, schlägt Golf auch bei den laufenden Kosten das Rad um mindestens eine Radlänge, denn wenn ich davon ausgehe, dass ich pro Saison ein Paar Conti Grand Prix 4000s, zwei mal Lenkerband, zwei Ketten und einmal Schalt- und Bremszüge erneuere, kann ich mit dem Geld noch jedes Jahr die Aufnahmegebühr eines zusätzlichen Golfclubs stemmen. Was fehlt noch auf der Rechnung? Ach ja: Das Lacoste-Polohemd! Aber auch der Radsport hat seine eigene, nicht ganz billige Kleiderordnung und im Feld will ich mich auch nur mit einer Oakley oder Rudy Project erwischen lassen. Doch das kann ich vom Lacoste-Shirt nicht behaupten!

Golf ist vielleicht aus dieser subjektiven Sicht der billigere Sport, aber emotional bleibe ich doch eher dem Radsport verbunden, eben weil er das Bonzenimage nicht hat (oder habe ich etwas verpasst?). Das gleiche gilt wohl auch für Tennis, Squash, etc.

Warum teilt der Radsport – trotz seiner immensen Kosten – aber diesen Schnöselaspekt nicht mit den genannten Leibesertüchtigungen? Nur aus historischen Gründen, also weil Golf & Co. in der Vergangenheit den besser betuchten vorbhalten waren? Oder auch, weil es genug verrückte Ausdauerjunkies gibt, die zwar im Aldi für 20€ Laufschuhe bekämen aber doch lieber den letzten Groschen für ein paar neue Carbon-Puschen zusammenkratzen?

Wie dem auch sei; ich spare mir nun erst mal das Geld für einen steiferen Rahmen vom Munde ab. Wir sehen uns auf der Strecke!

Sommer in Südniedersachsen

Die Vorhersagen ließen es schon erahnen und der Tag hielt alle metereologischen Versprechungen und versöhnte  am letzten Sonntag 2500 Jedermänner bei der Tour d‘Energie in Göttingen mit dem langen, harten, radsportunfreund-lichen Winter. 25° C, leichter Wind, blauer Himmel und gute Laune bis zum Sonnenbrand.

Die Scuderia traf sich zum „Fitness-Frühstück“, das in der Startgebühr inbegriffen ist und machte sich für die drei Anstiege des Rennens noch mal richtig schwer. Großartiger Nebeneffekt: In gediegener Bierbank-Atmosphäre konnte man sich mit dem sorgfältig im Internet gecasteten Ersatzmann Torsten bekannt machen, der netterweise für gewisse verpeilte Scuderia-Team-Mitglieder einsprang und unsere Team-Wertung somit nicht nur rettete, sondern gleich auch aufbesserte, da er gleich mal die Teambeste Zeit vorlegte. Ein besonderer Dank gilt hierbei auch den Organisatoren und Bademeistern des Rennens, die quasi kurz vor dem Start noch geduldig unsere zahlreichen Ummeldewünsche erfüllten. Leider wurden wir dabei in verschiedene Startblöcke eingeteilt und begegneten uns während des Rennens so gut wie gar nicht. Dabei wäre sicherlich in Hinblick auf die vordersten Platzierungen noch was gegangen, wenn man mir den Sprint angezogen hätte.

Zurück zur Realität und zum Renngeschehen: Die Strecke war auf den ersten 30km voll und die Fahrweise der Felder gewohnt chaotisch. Der Bramwald und der Hohe Hagen taten ihren Dienst und sprengten die großen Felder. Zurück blieben kleine, zum Ziel hin anwachsende Gruppen in denen meistens kaum noch jemand Kraft hatte, Führungsarbeit zu leisten.

Im Ziel waren wir dann zwar nicht die ersten, Johnny, der vorzeige-Sprinter der Scuderia, wurde immerhin dritter eines 70-Mann-starken Feldes, ich hatte zwar im Ziel das richtige Hinterrad, aber zuwenig Kraft und wurde zweiter meiner Gruppe. Neben Torsten, der uns bereits mit einem Weizen (alkoholfrei?) begrüßte hatten wir im Zielbereich aber vor allem eins: Die größte, schönste, lauteste, beste und am geschmackvollsten eingekleidete, Fahnen-schwenkende Crowd, die je bei Jedermannrennen gesichtet wurde. Danke Fans!

Zu den Ergebnissen: Johnny hat sein ehrgeiziges Ziel, mir meine von Rund um Köln mitgeschleppten 4 Minuten Vorsprung abzunehmen knapp verfehlt, steht nun aber trotzdem in der Gesamtwertung des German Cycling Cup genau einen Platz vor mir, da dort die Platzierungen zählen.

Apropos Gesamtwertung des GCC: Ein genialer Schachzug in der Saisonplanung, nämlich direkt die ersten beiden Rennen des GCC in Köln und Göttingen zu bestreiten und sich dann erst auf die faule Haut zu legen, hat dafür gesorgt, dass die Scuderia-Suedstadt in der Wertung der Teams nun auf einem beachtlichen 10. Platz steht. Yeah!

Am Aufstieg zum Bramwald begegnete mir übrigens noch Konkurrenz, die Potential hat, zum Erzfeind stilisiert zu werden: Trotz Tunnelblick konnte ich den Teamnamen eines Fahrers neben mir auf seiner Startnummer entziffern: Dynamo Suedstadt! Ich sammelte alle Luft für einen kurzen Plausch und brachte in Erfahrung, dass die Göttinger Suedstadt gemeint sei. Als er dann noch anfügte, dass Nabendynamo besser passen würde, wurde mir klar, dass die Sauerstoffsättigung in seinem zentralen Nervensystem auch nicht mehr 100%ig sein konnte, also zeigte ich ihm ein verständnisloses Lächeln und mit einem beherzten Antritt das Logo auf meinem Trikotrücken. In der Team-Wertung waren die anderen Suedstädter dann aber leider doch dynamischer.

Ausführliche Ergebnislisten gibt es auf der Seite des Veranstalters GoeSF und beim German Cycling Cup.