Von Rahmengrößen und Esoterik

Wie bereits berichtet, stand für mich in der jüngeren Vergangenheit die Anschaffung eines neuen Rahmens an. Das sich dies etwas hingezogen hat erkennt man, wenn man die Daten der Blog-Einträge vergleicht. Gründe der Verzögerung: Eine allgemeine Entscheidungsschwierigkeit als Grundeigenschaft des Autors gepaart mit dem Anspruch den neuen Rahmen mindestens so lange wie seinen Vorgänger nutzen zu wollen, weshalb er perfekt zum Käufer passen musste. Da ich als passionierter Internetteilekäufer eine biometrische Körpervermessung im Shop nicht in Anspruch nehmen konnte oder wollte, musste ich mich zunächst im Bereich Rahmengeometrie autodidaktisch fortbilden und im Anschluss auf Zollstock und Maßband zurückgreifen.

 

Besonders ersteres, die Fortbildung auf dem Gebiet von Rahmengeometrie und Körper erwies sich hier als unterschätzte Hürde. Ich erinnerte mich zunächst an einen Kommentar auf der (hier bereits unter den Links zu findenden) Seite Rad:Technik, dass die Methode, die Rahmenhöhe aus der Schrittlänge zu bestimmen, veraltet sei. Daraus ergibt sich die Frage, wie man denn dann den optimal zum Körper passenden Rahmen finden kann, wenn nicht (allein) über die Schrittlänge? Wie nicht anders zu erwarten, wartet das Internet als Quelle der Wahl hier mit unzähligen verschiedenartigen Antworten auf. Ich möchte im Folgenden nicht in die Diskussionen zum „Frame Fitting“ einsteigen, da mir letztendlich wohl die Grundlagen in Sportphysiologie, Biomechanik und what so ever schlicht fehlen. Statt dessen gibt es eine kurze subjektive, flapsige Überschau über verschiedene Ansätze und Hilfestellungen samt dazugehöriger Links.

 

Die Bandbreite der Meinungen zum Thema Rahmen-geometrie und Körperproportionen reicht vom einen Extrem der bereits erwähnten professionellen Körpervermessung mittels Laser und/oder einer verstellbaren ergometer-ähnlichen Folterbank resultierend in einem individuell gefertigten Maßrahmen bis hin zum einfachen Kommentar, das sei alles Vodoo, denn letztendlich entscheide einzig und allein die Probefahrt. Soviel sei nun doch zur Diskussion beigetragen, dass ich mich in meiner Rahmenwahl für die Grauzone zwischen diesen Polen entschied, da ich zum Einen im Internet schlecht einen Rahmen bestellen, unaufgebaut probefahren und dann gegebenenfalls wieder zurückgeben kann. Zum Anderen bin ich der Meinung, dass auch nicht-individuelle Rahmen zum Fahrer passen können,  weil dort wo im professionellen Radsport das meiste Geld umgesetzt wird, z.B. bei der Tour, überwiegend auch nicht auf Maßrahmen sondern auf Produkten von der Stange des Sponsors gefahren wird.

Meine Methode zur Ermittlung des passenden Rahmens, war es schließlich, meinen Körper gemäß den Vorschlägen aus dem (oben als Grauzone bezeichneten) Mittelbereich an Meinungen zu vermessen und (wegen Preis und Gretchenfrage Carbon vs. Alu) in Frage kommende Rahmen mit den daraus berechneten Idealwerten für die Proportionen einzelner Komponenten der Rahmengeometrie zu vergleichen.

Nicht berücksichtigt wurde dabei ein (wirklich wahr!) evolutionsbiologischer Ansatz, demzufolge der Mensch früher auf vier Beinen gelaufen sei, daher die Armlänge immer zur Beinlänge korrespondiere und deshalb doch wieder eine Auswahl ausschließlich nach Sattelrohrlänge getroffen werden könne. Den dazu passenden Link finde ich zum Glück nicht wieder.

Dave Moulton, Rahmenbauer in Rente, gibt eine tabellarische Übersicht als Entscheidungshilfe, die neben Sattelrohr- auch Empfehlungen für die Oberrohr- und Vorbaulänge macht. Die Werte ergeben sich neben der Schrittlänge aus der Größe und (was etwas fremd anmutet) der Schuhgröße; aber warum nicht, der Fuß steht schließlich auch auf dem Rad und ist mal mehr, mal weniger gestreckt.

Sucht man im Internet nach elaborierten Meinungen zur Fahrradtechnik, stößt man eher früh als spät unweigerlich auf Sheldon Brown. Bei dessen (immer nett zu lesenden) Ergüssen zum Thema wird noch einmal die Wichtigkeit der Oberrohrlänge betont und gegen die alleinige Auswahl einer Rahmengröße nach Schrittlänge pamphletisiert. Außerdem werden Anleitungen zur Einstellung des Rades sowie eine brauchbare Link-Sammlung zum Thema Frame-Fitting gegeben.

Hilftreich fand ich außerdem eine Belegarbeit zur Erlangung einer A-Trainerlizenz von Markus Brüx. In dieser pdf werden in Kapitel 6 einige bewährte Formeln zur Berechnung der Rahmengrößen genannt.

Schließlich sind noch einige praktische Seiten zu nennen, in denen Körperproportionen eingegeben werden, woraufhin einem die Internetseite ihre Empfehlungen zur Rahmen-geometrie ausspuckt. So gibt einem z.B. Tiemeyer Cycles neben den Standardgrößen auch Empfehlungen zum Sitz- und Steuerrohrwinkel, jedoch ohne jegliche theoretische Begründung oder Darlegung der Berechnung. Ähnlich verhält es sich bei wrenchscience.com, wo einem nach unverbindlicher Anmeldung neben der klassischen Rahmenhöhe auch ein Wert für den „Overall Reach“ (Oberrohr- plus Vorbaulänge) empfohlen wird.

Das kommerzielle deutsche Trainingsinstitut 2peak bietet eine unentgeltliche Exceltabelle zur Berechnung der optimalen Sitzposition. Als sehr praktisch habe ich außerdem ein so genanntes „Body Measurement Worksheet“ von kirkframeworks.com empfunden. Eine Umfangreiche Linksammlung zum Thema bietet cyclemetrics.com.

Zu guter Letzt steuert natürlich auch Deutschlands größtes Radsportmagazin Tour seinen Senf bei: Der Tour-Ratgeber zu Geometrie und Rahmengröße empfiehlt vor allem, ein Verhältnis von Höhe und Länge des Rahmens zu wählen, das neben den Körperproportionen auch daran ausgerichtet ist, ob eher eine sportliche oder eine komfortable Sitzposition gewünscht wird. Darauf, dass es bei Tour so einen Ratgeber gibt, hätte ich schon früher kommen können; gefunden habe ich ihn allerdings erst nach dem Rahmenkauf. So weiß ich jetzt im Nachhinein, dass ich a) ein ungeheures Langbein bin (Gregor Samsa – Bruder im Geiste) und b) ziemlich sportlich auf meinem neuen Hobel sitzen werde.

 

Wohin hat mich das alles geführt? Nach einem Nachmittag der komplett für die Vermessung des eigenen Körpers draufging (Nasenlänge wurde nicht mit einbezogen) wurde das unschlagbare Angebot für einen 2010er Focus Izalco auf der Homepage des südstädtischen Bike Perfect (so viel zum passionierten Internetteilekauf: support your local dealer!) als biometrisch und esoterisch passend befunden. Gerüchteweise spielten Intuition, Überredungs-, Beratungs-kunst und Entgegenkommen des Verkäufers Dariusz Kayser sowie marketingstrategisch beim Käufer impliziertes Image des Rahmenherstellers aber auch eine nicht unerhebliche Rolle. Und hier ist das Teil, das demnächst mit Teilen seines Vorgängers und mit Hilfe des ein oder anderen Weihnachts-euros mit neuen Komponenten bestückt wird um euch (falls der Schnee jemals verschwindet) die Hacken zu zeigen:

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