24 Stunden unterwegs mit der Scuderia

Veröffentlicht im Namen unseres Statthalters in der Eifel: Stefan.

So richtig verarbeitet habe ich es immer noch nicht. Es war die, glaub ich, härteste und unterschätzteste, aber geilste Sache, die ich bis jetzt an Sport gemacht habe: das 24 h Rennrad Rennen auf dem Nürburgring. Die Strecke über die Nordschleife macht süchtig und ich fahre sie seit dem Rennen bestimmt einmal am Tag im Kopf ab. Ich muss auf jeden Fall wieder hin, egal wie! Die Kurven, das Gefälle, die Steigung, die Wellen schaffen einen absoluten Rausch, den ich unbedingt wieder erleben möchte: am Tag, als auch in der Nacht, 26,4km und ca. 500 Höhenmeter in einer beeindruckenden Landschaft.
Schon vor Monaten, Ende 2010, wurde ich von einem ehemaligen Kollegen angesprochen, ob ich nicht Bock hätte am 24h Rennen in seinem Team mitzufahren und da dies auf meiner Muss-ich-unbedingt-einmal-gemacht-haben-Sport-Liste stand, musste ich nicht lange überlegen, nur noch mal kurz checken, inwieweit es vielleicht eine Überschneidung mit dem Geburtstag meiner Frau gäbe. Da dies nicht der Fall war, sagte ich zu, so kam es, dass ich für dieses Event beim Team Scuderia Suedstadt anheuerte. Die Scuderisti stellten 3 4er Teams, Scuderia 676, Scuderia 677, Scuderia 678. Die Nummern entsprechen der Endung der südstädtischen Postleitzahlen in Köln.
Scuderia Suedstadt 676Sie bezeichnen sich als eine Art Thekenmannschaft und genau wie die borderthonis ist da ziemlich viel verschiedenes unterwegs, charakterlich als auch sportlich: reine Rennradfahrer, Triathleten, oder auch Läufer. Ich sollte Mitglied im Beginner und Mixed Team werden, d.h. mein Capitano Günter, zwei befreundete Frauen und meiner einer. Allerdings sagten die Damen schon früh ab, so dass es lange so aussah, als würden wir nur zu zweit an den Start gehen. Da ich verrückt genug dafür bin, zumindest gedanklich, trainierte ich daraufhin auch dementsprechend, einschließlich einer Langstreckentour von 300km mit 3600 Hm. Aber auch ansonsten suchte ich jede fiese Steigung in unserer Region, um sie unter die Reifen zu nehmen. Da kamen wunderschön anzuschauende Höhenprofile zusammen, die an eine Toblerone erinnern. Also um es auf den Punkt zu bringen: Trainingstechnisch war 2011 „Rad am Ring“ mein Saisonhöhepunkt.
Kurz vor Schluss haben wir sogar noch einen weiteren Ausfall in einem anderen Team kompensiert bekommen und auch noch zwei weitere Fahrer für unser Team gefunden, so dass wir komplett als 4er Team an den Start gehen konnten. Im Vorfeld gab es in unregelmäßigen Abständen Team-Orgatreffen und die Scuderisti sind eine sehr lockere, lustige und liebenswert komische Truppe, wobei ich ernsthaft nicht daran geglaubt hätte, dass sich mit diesen Jungs irgendwas organisieren ließe. Da wurde ich aber Lügen gestraft, denn auf der Zielgeraden wurde ein umfangreiches Material- und Supportteam bestehend aus Elternteilen und Lebensgefährtinnen auf die Beine gestellt, das keine Wünsche offen ließ.
Die meisten reisten schon freitags an und bauten unser Lager auf. 
Arbeits- und meiner eigenen Orga bedingt und dem Wunsch geschuldet in einem vernünftigen Bett zu schlafen, da die Nächte mit meinem Sohn grundsätzlich sehr kurz sind, reiste ich erst am Samstag früh an.
Da bereits alles aufgebaut und organisiert war, konnte ich mich gemütlich einrichten und ein paar Erkundungen, sowie Sightseeing machen. Um viertel nach zehn war Wettkampfbesprechung, an der ich mit meinem Capitano teilnahm, aber bis auf eine Klärung der Streckenführung innerhalb der Grand Prix Strecke und Fahrerlager gab es nicht wirklich Neues. Um 13:15 war Start und wir wechselten nach jeder Runde, wobei ich der zweite Fahrer war. Wie kurz aufgezählt ist die Strecke genial. Mehr oder weniger ist die gesamte Grand Prix Strecke Fahrerlager und Wechselzone in einem, d.h. man fährt auf genialem Asphalt mitten durch die ganzen Fahrerquartiere und da gibt es alles zu sehen. Zwischen absolut einfachem Lager bis hin zu Luxus – LKW inkl. Wahnsinnsinfrastruktur, es war einfach alles vorhanden, samt Partymusik und Grillgerüchen. Zur Strecke: die ersten Kilometer gehen eigentlich nur bergab mit zwei kleinen Gegensteigungen, die aber bei hoher Geschwindigkeit fast von selbst bezwungen werden können. Den Höhepunkt erreicht die Schussfahrt in der Fuchsröhre, in der man angeblich bis zu 100 km/h schaffen kann. Mein Tacho zeigte allerdings nie mehr als 91,23 km/h. Direkt nach dieser Geschwindigkeit wird man durch einen Gegenanstieg wieder auf normal runtergebremst. Es geht weiter abwärts mit ein paar schönen Kurven, wobei man diese nicht unterschätzen darf. Und dann geht es los: ca. 4,5 km bergauf Richtung Hohe Acht. Keine Ahnung wie steil es ist, angeblich bis max. 17%, aber richtig gespürt habe ich diese nicht. Ich hoffe es war meinem Training geschuldet. Danach geht es in Wellen zurück zur Grand Prix Strecke und wenn man dort Gas gibt, erledigen sich die Wellen auch fast von selbst. Man kann die Strecke fast die ganze Zeit Vollgas ohne zu bremsen fahren – wenn man sich traut. Einfach genial, meine erste Runde war dann auch gleich die Beste mit 48:20 min und fast einem Schnitt von 33 km/h.
Wir waren ein ziemlich homogenes Team und haben im Mittel ca. 55min pro Runde gebraucht. Der Samstag war ziemlich heiß und undankbar zu fahren, so dass die Nacht eine richtig angenehme Abwechslung bot. Auch das Gefühl mit seiner kleinen Funzel mit 60-70 km/h in eine Kurve zu gehen ist unbeschreiblich. Dazu überall die roten Lichter aufgereiht wie auf einer Perlenkette und absolut still. Die Räder erzeugen kaum Geräusche, geredet wird nicht, da die meisten mit sich selbst genug zu tun haben und der Wald drum herum schluckt alle anderen Geräusche. Auch dies ist ein tolles Erlebnis. Zum Schlaf bin ich nicht gekommen und es wäre gelogen zu sagen, dass es mitten in der Nacht Spaß gemacht hätte sich auf die kommende Runde vorzubereiten, aber der Körper ist schon eine super Apotheke, denn während der genialen Abfahrt macht es so Spaß, das es okay ist und der Wechsel am Ende und das Gefühl wieder ein Runde geschafft zu haben sind tolle Dealer. Gegen Ende waren wir so kaputt, dass mein Capitano keine Runde mehr alleine fahren wollte. Also beschlossen wir aus der letzten Runde eine Genussfahrt zu machen, inkl. einmal an der Verpflegungsstation halten und schauen was die da so haben (beim Fahrerwechsel nach jeder Runde braucht man diese nicht, so dass ich immer vorbeigefahren bin). So gedacht und so umgesetzt, wobei uns nach dem gemütlichen ersten Teil ein Anruf mitteilte, dass wir ins Ziel kommen sollten, weil unser vierter Fahrer auch noch mal auf die Strecke gehen würde, da wir sonst unsere gute Platzierung verlieren würden. Also taten wir, wie uns aufgetragen wurde und beendeten die Genussfahrt, wobei ich noch tierischen Spaß hatte, zwei Züge zu sprengen, in dem ich mich vor sie setzte und Gas gab, ein unglaubliches Hochgefühl, die Jungens noch stehen lassen zu können. Wie schon gesagt, der Körper verfügt über so tolle eigene Drogen! Am Ende wurde unser Beginnerteam bestes Scuderiateam und erreichte mit 26 Runden Platz 99. Die Orga am Ring war super, das einzige Manko waren jede menge Wespen, aber da kann keiner was für. Als weitere Kuriosität, bzw. selten gesehen: Schlangen vor den Männertoiletten!
Es gäbe noch soviel zu erzählen, aber an dieser Stelle reicht es erstmal. Aber eines ist gewiss es gibt einen Grüne Hölle Virus, der hochgradig ansteckend ist. Der Weg dahin ist sehr anstrengend, denn nicht die Strecke allein, sondern die Kombination von Strecke, Wechseln, d.h. Aktiv- und Ruhephasen, Tag- und Nachtfahrten machen dieses Rennen zu einer ganz besonderen Herausforderung.
Bis zum nächsten Mal – ganz bestimmt!
Viele Grüße
Stefan.