Phil Gaimon: „Pro Cycling on 10$ a day“

Bücher über den Radsport und Radsportler gibt es ja viele. Und viele davon sind Mist, wie ich finde. Oft schlecht recherchiert und noch schlechter geschrieben. In manchen wird auch viel gelogen, etwa in den Büchern eines gewissen Lance A.. Das Buch von US-Profi Phil Gaimon ist da eine echte Ausnahme: Sehr witzig, selbstironisch und anekdotenreich eröffnet es eine neue Sicht auf den (un)bezahlten Radsport. Mit heldenhaft-rumreichen Siegen hat das weniger zu tun als mit schlimmen Stürzen, Nächten auf Sofas mit pupsenden Teamkollegen, verlorenen Sprints gegen Ex-Doper um 40 $ Preisgeld und viel Selbstausbeutung.

Büro oder Peloton

Pro Cycling on $10 a Day by Phil GaimonPhil Gaimon erzählt seinen Werdegang nach – von der fettleibigen Ami-Couch-Potatoe zum Pro-Tour-Profi bei Garmin-Sharp. Seine Karriere verläuft dabei tragikomisch. Nach ersten erfolgreichen Rennen in der High-School macht er es wie viele US-Rennfahrer: Im Winter wird studiert, den Sommer über bezieht man mit der College-Mannschaft eine Haus-WG als Stützpunkt, fährt vor allem halsbrecherische Innenstadt-Kriterien und macht nebenbei Party. Irgendwann muss er sich jedoch entscheiden, ob er einen normalen Beruf ergreift oder alles auf eine Karte setzt und ernsthaft Profi wird. Er entscheidet sich für Letzteres.

Flaschen sammeln

Bei US-Teams wie Kenda, Bissell, Smartstop usw. hangelt er sich von Jahresvertrag zu Jahresvertrag. Das Gehalt liegt mal bei 1.200 $ (im Jahr !), mal bekommt er auch gar kein Geld. Weil sie im Team nicht genug Trinkflaschen haben, sammeln sie nach dem Rennen die weggeworfenen Bidons am Wegesrand wieder ein. Am Ende der Saison werden die Mannschaftswagen geplündert. Von den Ebay-Erlösen für Rahmen, Pedale und Ketten zahlen die Fahrer dann ihre Mietschulden und College-Gebühren zurück.

Einmal „Pro“ sein

Der Traum vom großen Sieg und dem Aufstieg in eine höhere Klasse müssen als Motivation reichen. Teamgeist gibt es unter den Fahrern wenig, der Kampf um gute Ergebnisse ist verbissen und nicht immer fair, im Rennen ist sich jeder selbst der nächste. Zudem machen alternde Ex-Doper aus Europa wie Francisco Mancebo Gaimon die Siege streitig. Das ärgert ihn so, dass er sich ein Stück Seife mit der Aufschrift „CLEAN“ auf den Arm tätowieren lässt, das erst beim Zielstrich-Jubel sichtbar wird. Mehrmals will Gaimon alles hinwerfen. Als guter Kletterer macht er dann bei Rennen wie der Tour of California auf sich aufmerksam und gelangt über viele Umwege schließlich an sein Ziel: einen Pro-Tour-Vertrag bei Garmin-Sharp. Für wenigstens ein Jahr geht sein Traum in Erfüllung.

Motivation für Jedermann

Gaimons Buch ist ein Insiderbericht aus der nahzu unbekannten Radsportwelt jenseits des europäischen Radsport-Glamours. Fahrer wie Phil Gaimon gibt es zu Hunderten. Sie schlagen sich irgendwie durch, lieben den Sport aber zu sehr, um ihn aufzugeben. Phil Gaimon macht keinen hehl daraus, wie hart der Alltag als „Pro“ ganz unten in der Radsport-Hackordnung ist. Das er dabei nie seinen Humor und seine Leidenschaft verloren hat ist mehr als beeindruckend.

Must read!

Das Buch ist für 14 Euro im (online) Buchhandel bestellbar.

Bildrechte: VeloPress

2 Antworten auf „Phil Gaimon: „Pro Cycling on 10$ a day““

  1. Klingt spannend! Könnte man schon mal ein Plätzchen für unterm Weihnachtsbaum freihalten. Wenn’s für’s Lesen jetzt noch Wintercoppapunkte geben würde!

  2. Kannste ja auf der Rolle lesen 😉 Oder in der Schule als Lektüre einführen! Immer nur Goethe is doch langweilig.

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